Lutheriden in Mitteldeutschland – Die Luthernachkommen in Benndorf

(Aus der Sangerhäuser Zeitung vom 24.10.1933)

Da hatte sich im Sommer dieses Jahres in Eisleben eine merkwürdige Tischgesellschaft zu einer Gedenkfeier für Martin Luther, dessen 450. Geburtstag wir am 10. November dieses Jahres feiern, vereinigt. Es waren die Nachkommen des großen Reformators, die ihre Ahnen direkt auf Martin Luther und seine Ehefrau Katharina von Bora zurückführen können. Sie haben sich sogar in einem eigenen eingetragenen Verein, in der sog. Lutheriden – Vereinigung, die zu Luthers 400. Hochzeitstag in der Wartburgstadt Eisenach 1925 gegründet worden ist, zusammengeschlossen, um neben der Pflege der verwandtschaftlichen Beziehungen Luthers Geist und Sinn vor allem in seinen Nachkommen lebendig zu erhalten. Selbst eine eigene Zeitschrift verbindet sie, die über alle Welt verstreut sind, miteinander, das „Familienblatt der Lutheriden – Vereinigung“, dessen verdienstvoller Herausgeber der Pastor Sartorius zu Dankelshausen (Hann. Münden), selbst ein Nachkomme Luthers in der elften Generation, ist. Er hat sich um die Erforschung der Luthernachkommen in jahrelanger, mühevoller Arbeit besonders verdient gemacht.

Luthers Ehe war bekanntlich mit sechs Kindern gesegnet. Der älteste Sohn Johannes, bekannt als das „Hänsichen“, an den Luther von der Feste Koburg den köstlichen väterlichen Brief schrieb, studierte die Rechte, wurde herzoglicher Rat und starb kinderlos. Das erste Töchterchen Elisabeth starb im ersten, Magdalene im 14. Lebensjahr. Der zweite Sohn Martin war von schwacher Gesundheit, studierte Theologie und starb ebenfalls kinderlos. So ist also nur von Paul und Margarethe Nachkommenschaft vorhanden. Margarethe, Luthers jüngstes Kind, wurde die Gattin des Landrats Georg von Kunheim auf Knauten und Mühlhausen in Ostpreußen. Von ihren neun Kindern pflanzte sich die Linie nur durch Margarethe, geb. 1559, die Hans von Kaucken auf Fodangen heiratete, fort. Durch ihren Sohn und Enkel ging die Linie weiter durch eine Tochter in die Familie von Tettau und von da in weiblichen Linien weiter in die Familien von Reibnitz, von Trabenfeld, von Syburg und von Wegnern. Von da an teilt sich die Nachkommenschaft in zwei Linien, die heute noch in den Namen u.a. von Lettow – Vorbeck, von Ersfa, Stieler von Heydekampf, der Polizeikommandeur im Westen, von Tippelskirch, von der Groeben usw. weiterleben, im ganzen jetzt 76 lebende Glieder, von denen 43 bürgerlichen Namen tragen.

Achtmal so groß ist dagegen die Nachkommenschaft von Luthers jüngstem Sohn Paul, dem bedeutendsten unter Luthers Kindern, der Professor der Medizin zu Jena, danach Leibarzt bei mehreren sächsischen Fürsten, auch ein tüchtiger Chemiker gewesen ist. In seiner Ehe mit Anna von Warbeck, einer Tochter des Vizekanzlers von Warbeck zu Torgau, hatte er auch sechs Kinder wie seine Eltern.

Über die Nachkommenschaft zweier Töchter ist nichts bekannt. Nur der eine Sohn Johann Ernst, Domdechant zu Meißen, hinterließ Nachkommen durch seinen Sohn Johann Martin, der Stiftsrat in Wurzen und dann auch Domherr in Zeitz wurde, und durch seine Tochter Magdalena, verheiratet mit P. Teubner zu Zeitz und Dorothea Elisabeth, die Gattin des Apothekers Hoffmann zu Jena, so daß sich also die Nachkommenschaft Luthers durch Johann Ernst Luthers Kinder in drei Linien teilt.

Mit dem Enkel Johann Martins, Martin Gottlob Luther, Advokat zu Dresden, der dort 1759 unverheiratet gestorben ist, ist der Name Luthers in der Nachkommenschaft des Reformators erloschen, so daß alle Zeitgenossen, die den Namen Luther tragen, nicht Nachkommen Martin Luthers sind. Wo der Name Luther sich noch heute findet, liegt entweder kein nachweisbares Nachkommenschaftsverhältnis zu Martin Luther vor, oder diese Familien leiten ihre Abstammung auf Jakob Luther, Martin Luthers Bruder, zurück oder sie kommen von Martin Luthers Oheim, Hans Luther dem Kleinen, her. Dagegen hatten zwei Enkelinnen Luthers dauernd große Nachkommenschaft, die sich u.a. in den Linien Keil, Kieritz, Schede, Möbius, Nobbe, Trinkler, Zeitz (Zeitz – Werke Jena), Teubner, Kolbe, Lindner, Hoffmann, Vogel, Schweingel, Avenarius usw. fortzupflanzen.

Gerade in diesen Tagen konnte Pastor Sartorius 21 in Chicago lebende Nachkommen Luthers aus dem Avenarius – Zweig ermitteln, so daß heute die Zahl der ermittelten zeitgenössischen Lutheriden gerade 900 beträgt. 640 Nachkommen Luthers sind in den 450 Jahren schon gestorben, davon 23 im Weltkrieg gefallen, so daß also die ganze Nachkommenschaft aus den 538 Ehen etwa 1500 beträgt. Von den 900 lebenden Lutheriden entfallen 824 auf Paul Luther, 76 auf Margarethe Luther von Kunheim Nachkommen. Von den Lebenden haben ihren Wohnsitz in der alten Heimat nahezu die Hälfte: 120 in Groß – Thüringen, 105 in der Provinz Sachsen, 214 im Freistaat Sachsen. Im Ausland sind sie am stärksten in Holland mit über 80 vertreten. Die große Mehrzahl der Lebenden gehörte dem 12. und 13. Geschlecht an, doch leben auch noch einige vom 10. Geschlecht, und andere in der Nachkommenschaft Margarethe Luthers gehören schon dem 15. Geschlecht an. Das Auf und Nieder der Geschlechter zeigt sich auch in der Tatsache, das unter den lebenden Nachfahren Luthers sich heute noch neben einer verhältnismäßig großen Zahl von Akademikern eine große Reihe von Landarbeitern, Fabrikarbeitern und Handwerkern befindet. Bemerkenswert ist dagegen, das sich unter ihnen nur fünf Theologen befinden.

Die Zahl der gegenwärtigen Familiennamen der gesamten Lutherfamilie beträgt 224, die aufzuzählen zu weit führen würde. Nur die in Mitteldeutschland (außer Thüringen) lebenden Lutheriden seien erwähnt. Da wohnen in Benndorf b. Mansfeld drei Liebau, drei Nobbe, in Bernburg i. Anhalt zwei Merkel, in Blankenburg a. Harz ein Böcker, ein Schede, drei Stehn, in Crimmlitz b. Zeitz drei Kröber, in Dessau drei Hothmann, in Bornstedt Bez. Halle drei Schweingel, in Eisleben drei Schröck, in Erfurt fünf Apel, ein Günther, zwei Hoffmann, zwei Scheller, ein Umbach, ein Zeiß, in Halle a. S. Zwei Hofmann, acht Regel, drei Weise, in Herzberg a. Elster zwei Schweingel, in Kassel ein Möbius, zwei Sartorius, in Kösen ein Stieler von Heydekampf, in Leubingen b. Erfurt zwei Nobbe, in Magdeburg vier Avenarius, vier Schweingel, drei Birnau, in Merseburg drei Eubling, in Naumburg a. S. Ein Nobbe, ein von Poswik, in Naumburg b. Kassel zwei Heinemann, in Nordhausen a. Harz drei Heinig, in Rotenburg a. Fulda ein Eichwede, ein Heinemann, vier Walper, in Schmiedeberg Bez. Halle zwei Schweingel, in Trautenstein a. Harz ein Schwartz, in Vieselbach b. Erfurt ein Federwisch, in Wenigensömmern b. Erfurt ein Fischer, in Wieskau Bez. Halle fünf Schweingel, die sich sämtlich rühmen können, direkte Nachkommen des großen Reformators zu sein.

Seitenverwandte Dr. Martin Luthers gibt es natürlich noch viele. Wie schon Luthersagte, das die ganze Umgegend um Eisenach sei von seiner Verwandtschaft, so finden sich Nachkommen von diesen Linien auch heute noch in Möhra, Salungen, Liebenstein und anderen Orten Thüringens. Eine andere Linie führt nach Japan (mit Eingeborenen gemischt), eine weitere nach Estland.

In jahrelanger, mühevoller Arbeit hat Pastor Sartorius nicht nur diese verdienstvollen genealogischen Studien zu einer großen Luther – Nachkommenschaft zusammengestellt, sondern darüber hinaus auch ein umfangreiches Familienarchiv aufgebaut, das heute schon über 400 Bilder und Photos von Lutheriden aufweist, daneben Ahnentafeln aus den Familien, deren Glieder in die Luthernachkommen durch Heirat gekommen sind, sowie Notizen usw. aus der Lebensgescichte der Lutheriden und anderes mehr.

 

 

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